Vorwort zu dem Buch 'Oberrheinisches Kochbuch' a.d.Jahr 1811

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Rezept für 1 - VORWORT

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Zubereitung:
. Vorwort zur Faksimile-Ausgabe des Oberrheinischen Kochbuches von 1811.
[einiges Ausgelassen...]

Obwohl die Ausdrucksweise der Autorin sehr sachlich ist, fasziniert sie den
Leser und versetzt jenen in ihre Zeit, in den Beginn des 19.Jahrhunderts
zurück, der Spaß am Werken in der Küche und Keller hat.

Ihre Rezepte sind nicht nur interessant, sie sind auch mit einigen
technischen Erleichterungen, vor allem aber mit einer den heutigen
Verhältnissen entsprechend geringeren Menge von Gewürzen - besonders dem
Salz - durchaus realisierbar.

Einige recht deutliche Hinweise grundsätzlicher Art beweisen mir, daß die
heute so sehr sensationell gepriesene "Nouvelle Cuisine" eigentlich keine
Neuigkeit, eher eine Wiederentdeckung und auf die heutigen Verhältnisse
unseres Lebens abgestimmte Kochkunst-Renaissance ist.

"Es ist bey allen Fischen zu beobachten (beachten), daß man sie immer
schnell muß kochen lassen, und daß sie auch viel besser sind, wenn man sie
frisch haben kann, als gesalzen ". Mit "schnell kochen" meint sie
natuerlich, daß die Fische im Sud nicht auslaugen sollen, daß ihre
natuerlichen Eigensäfte erhalten werden müssen.

Vor allem aber bin ich erfreut über die Tatsache, daß die Verfasserin wie
alle großen Kenner dieser Materie die Konservierung mit aller Deutlichkeit
als Notbehelf betrachtet. Die Frische des Produkts, der Zutaten, ist die
Basis guter Essensqualität. "... und daß sie auch viel besser sind, wenn
man sie frisch haben kann, als gesalzen" schreibt sie mit Überzeugung,
wobei man heute eben noch "gefroren" hinzufügen kann.

Der Wein ist für die Verfasserin so wichtig wie die vielen Kräuter, die
sie als Zutaten empfiehlt. Sie spricht von Wein - nicht von Kochwein - der
heutigen Unsitte, weinähnliche Getränke zum Kochen zu verwenden.

Alle diese Weisheiten kann man diesem Buch entnehmen - oder erneuern. Für
Amateure und Profies kann es als Basis zur Erkennung der natuerlichen
Kochkunst dienen, wenn man mit Phantasie und Logik die historischen Rezepte
unserer Region der heutigen Lebensart anpasst, indem man weit weniger Mehl,
Salz und mit etwas weniger Butter und anderen Fettarten kocht.

Für die Freunde der weißen Gilde ist es durchaus zur Erweiterung des
Repertoires empfehlenswert, dient aber auch als Beweis, daß die Kochkunst
keine Erfindung der letzten beiden Generationen ist.

Der nicht unwesentliche Rest ist eine Frage des Geschmacksempfindens, das,
wenn nicht vorhanden, auch mit Ausdauer und Freude am Experimentieren,
trainiert werden kann.

Die Vorrede der Verfasserin hat im übrigen einen hohen historischen Wert.
Die Historiker der Kochkunstliteratur vermuten schon bei C.F.v. Ruhmor, daß
er aufgrund seiner Herkunft, des Adelßtandes scheute, sein Werk unter
seinem Namen zu veröffentlichen. Sein Leibkoch, Joseph König, wurde für
die erste Ausgabe als Verfasser genannt. Aus ähnlichen Gründen scheint die
Verfasserin mit "Schüchternheit" ihren Namen unterschlagen zu haben. Ich
vermute, daß sie von hohem Adel oder eine hochstehende Ordensfrau,
vielleicht aber auch beides war.

Eines aber war sie mit Sicherheit: Eine ganz große Kennerin natuerlicher
Kochkunst und natuerlicher Heilmittel, die im Haushalt zubereitet wurden.
daß von letzteren viele nur noch historischen Wert haben und unter
Berücksichtigung der heitigen medizinischen Wissenschaft nicht mehr
anwendbar sind, schränkt den Wert ihres Werkes nicht ein.

Dem Freund historischer Kochkunst wünsche ich viel Vergnuegen beim Ausflug
in die Zeit des neunzehnten Jahrhunderts.

Unterzeichnet: Oberbergen, Gasthof Schwarzer Adler, im Oktober 1977 Franz
Keller (Fridolin Schlemmer)

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